Angekommen in Auckland dachten wir im falschen Film gelandet zu sein. Eine windige Kälte wehte mit vereinzelten Regenschauern über unsere Köpfe zwischen den Hochhäusern Aucklands hinweg. Es war das erste Mal seit langem, dass wir wieder empfindlich auf Kälte reagierten geschweige denn zu wissen wie es sich anfühlt wieder in geschlossenen Schuhen zu laufen oder in lange Hosen und Jacken eingewickelt zu sein.
Auf der ersten Suche nach einen warmen und gemütlichen Café bemerkten wir schnell, dass die Stadt bereits um 5:00 Uhr abends den Anschein machte zu schlafen. Alles war bereits geschlossen. Die Straßen wirkten grau, geordnet und mit viel zu vielen Regeln versehen. Vor allem das vergnügte und chaotische Treiben von Asiens Straßen fehlte uns. Willkommen in einer Welt worin Menschen ihre Wohnzimmer wieder in die eigenen vier Wände verlagert haben. Ziellos liefen wir umher um zu verstehen, welch eine Veränderung dies nach einem Jahr Reisen nun in uns nahm. Bald schon lenkte sich unsere Aufmerksamkeit das erste Mal auf das zahlreiche Warenangebot der Supermärkte. Es gab Käse, Brot, Joghurt und zahlreiche Leckereien die uns an Österreich erinnerten. Da verspürten wir erstmals Euphorie. Die nächsten Monate konnten wir unser Essen endlich wieder selbst kochen. Es fühlte sich wie eine enorme Erleichterung an, da wir alle Art von Eiern auf gesüßtem Toast oder Pancakes zum Frühstück nicht mehr sehen konnten.
In den nächsten Tagen hatten wir einen vollen Terminkalender um einen passenden Camper-Van zu ergattern. Mit jeder Besichtigung lernten wir weitere Reisende kennen die ihr Fahrzeug vor ihrer Ausreise aus Neuseeland wieder verkaufen wollten. Mit netten Gesprächen, Fahrproben und enorm vielen Reise-Tipps ausgestattet, entschieden wir uns nach einer Woche für den Kauf eines beinahe klassischen Toyota ESTIMA. Wir nannten ihn Hummel aufgrund seines eigenartigen Gebrummes und seiner plumpen Form. Durch das Tragen unserer Rucksäcke und die Abhängigkeit an öffentliche Verkehrsmittel der letzten Monate waren wir müde geworden. Jetzt verstauten wir sie fürs erste einmal unter unserem Bett! Überwältigt von dem Gefühl in unserem eigenem Fahrzeug Auckland verlassen zu dürfen und hinaus in die Wildnis zu fahren, strahlten wir über beide Ohren! Wir fühlten uns unglaublich frei.
Was es heißt die nächste Monate ausschließlich in einem Van zu leben wurde uns erst mit den Tagen bewusst. Wir konnten auf der Strecke anhalten wo es uns gefiel. Oft fuhren wir zuvor Stunden lang im Bus wo spektakuläre Landschaften an uns vorüber zogen und wir kein Entscheidungsrecht hatten. In Neuseeland war nun alles um einiges leichter. Wenn wir eine Abkühlung benötigten blieben wir am Meer oder bei einem See stehen und sprangen ins kühle Nasse. Bei Hungergefühlen öffneten wir unseren Kofferraum und zauberten uns in unserer kleinen Kücheneinheit etwas Leckeres. Zwischendurch unternahmen wir Spaziergänge oder kleine Wanderungen ins Hinterland.
Egal ob es regnete, stürmte oder die Sonne schien, die Nähe des Wetters ist allgegenwärtig. Wir sagten uns selbst, dass unser Immunsystem so bestimmt gestärkt wurde! Für infrastruktur- technische Fragen zu Campingplätzen aber auch Frischwasserstationen und Duschmöglichkeiten benutzten wir Apps auf unseren Smart-Phones, wo alles auf Karten schon im Vorfeld markiert ist. Oft fanden wir dadurch auch sehenswerte Orte oder Plätze an denen seltene Tierarten zu bewundern sind. Unsere Schlafplätze waren jeden Tag anders. Es gab Tage wo wir direkt am Meer übernachten, dann wieder an einer Waldlichtung oder auf einem Parkplatz.
Es war ein schnelles und freies Reisen mit unglaublich vielen Eindrücken in kürzester Zeit, für die wir kaum Zeit fanden alle zu verarbeiten. Im Gegensatz zu unseren letzten Blog Beiträgen, in denen wir alle Ereignisse in einer historischen Abfolge so gut wie möglich wiedergaben, werden wir in Neuseeland nur die wichtigsten Highlights unseres Road-Trips in kurzen unabhängigen Geschichten erzählen.
Passend zu unserem freien Reisestil haben wir eine Karte entworfen, auf denen man gut nachempfinden kann, wo es uns verschlagen hat. Die markierten Zahlen verweisen auf die angefügten Erzählungen…
01 Redwood Baumhaus
Als Architekt kommt man früher oder später einmal in Berührung mit den spektakulärsten Baumhäusern die je gebaut wurden. In Research-Phasen erspäht man dabei immer wieder die gleichen Meisterwerke. Inspiriert davon betrachtet man sie als unerreichbar und kommt nie auf den Gedanken wirklich eines Tages davor zu stehen.
Wir waren gerade ein paar Stunden unterwegs mit unserer Hummel, als wir unseren Augen nicht trauen konnten, als wir vor einem, der für uns aus Studiums-Zeiten bekanntesten Baumhäuser standen. Zufällig beim Vorbeifahren erhaschte Cori einen Blick auf eine zwiebelartige Form in die Baumkronen und meinte wir müssen sofort umdrehen und uns davon überzeugen, ob das keine Einbildung war. Mittlerweile wird das sogenannte „Redwood Treehouse“ nur mehr für private Buchungen genützt. Wir konnten uns die Chance trotz “Betreten Verboten“ nicht einfach nehmen lassen und kletterten über den Zaun um es aus der Nähe zu begutachten. Es nimmt einem Projekt plötzlich ein Stück seiner Besonderheit, wenn man wahrhaftig darin steht und es betrachtet. Im selben Augenblick macht es aber auch die Verwirklichung eines derartigen eigenen Projekts realer.
02 Hundertwasser Toiletten
Im Ort Kawakawa fanden wir ein anderes gestalterisches Highlight zu dem wir einen Bezug hatten. Nichtsahnend fuhren wir die Hauptstraße des Ortes entlang, als plötzlich die Gestaltung der Fassaden abrupt wechselte und sogar ganze Häuser einen neuen Stil verkörperten. Ein Straßenschild wies uns daraufhin schon den Weg zu den „Hundertwasser Toiletten“. Als eine der für uns namhaftesten künstlerischen Ikonen hat Friedensreich Hundertwassser hier in Neuseeland seine Wahlheimat gefunden, nachdem er Österreich für immer verlies. Weit versteckt im Hinterland errichtete er sich seine eigene Farm, die leider bis heute der Öffentlichkeit verschlossen bleibt. Für die Bewohner des Orts baute er dennoch öffentliche Toiletten, die heute die Hauptattraktion des Ortskernes zu sein scheinen. Für uns fühlte es sich irgendwie nach einem Stück Heimat an.
03 Waitangi Museum
Waitangi ist der Geburtsort Neuseelands, wie es heute existiert. Vor ungefähr 180 Jahren unterzeichneten Europäer und Māoris hier ihren gemeinsamen Staatsvertrag, der heute noch gültig ist. Wir bekamen hier zum ersten Mal einen tieferen Einblick in die unterschiedlichen Wesenszüge beider Kulturen. Der größte Schwerpunkt des Museums liegt an der Unterzeichnung und wie die britische Krone die Übereinkunft mit den meisten großen Māori-Stämmen erreichte. Als eines der wenigen weltweiten Beispiele wurde den Māoris darin ihr eigenes Land zugesichert und Bildung versprochen, weshalb ihre Kultur heute noch sehr stark präsent ist. Gleichzeitig spürten wir hier zum ersten Mal den Nationalstolz der Kiwis, wie sich die Neuseeländer allgemein gerne nennen. Abgerundet wurde unser Aufenthalt mit kulturellen Einlagen und Ausstellungen. So wurde uns in der architektonisch beeindruckenden Meeting Hall der Māoris eine authentische Tanz und Gesangsvorstellung samt rituellen Abläufen näher gebracht. Durch die wir einen tieferen Einblick in der maorischen Kultur bekamen.
04 Cape Reinga
Leuchttürme strahlen eine ganz bestimmte Faszination auf uns aus. Es ist möglich, dass es die Kombination von Landschaft, Funktion und Architektur ist, doch ein Turm der leuchtet um dir den Weg zu weisen ist schon eine besondere Erfindung finden wir! An solchen Orten kann man die beinahe unendliche Weite unserer Welt erst anfangen zu begreifen. Nach einer Woche Fahrt mit unserem Auto standen wir am nördlichsten Punkt von Neuseeland und blickten in die Ferne. Wäre Distanz kein Hindernis hätten wir nach Australien genauso sehen können, wie nach Papua Neu Guinea, Japan, Alaska, Hawaii oder Nordamerika. Das Besondere ist hier, dass zwei Wassermassen aus unterschiedlichen Richtungen aufeinandertreffen. Der pazifische Ozean kommt von Osten und das tasmanische Meer von Westen und in der Mitte entsteht ein Spektakel aus unterschiedlichen Strömungen und Wirbeln. Für die Māori hat dieser Ort eine besondere Bedeutung. Von hier aus starten die Seelen der Toten den langen Pilgerweg zurück nach Hawaiki. Hawaiki ist der Māori- Name für das mythische Land, wo die polynesische Kultur ihren Ursprung und ihre Herkunft haben soll. Überall trafen wir hier auf Menschen, die in die Ferne blickten und dem Schauspiel aus Licht und Zeit folgten. Umgeben waren wir von einer Küstenlinie, die aus wilden Felsformationen, traumhaften Strandbuchten und einzigartigen Pflanzenarten bestand.
Wir stiegen die Felsen hinab um ein Stück vom „Cape Reinga Coastal Walk“ zu genießen und erreichten einen menschenleeren Strand, wo wir mit den hohen Wellen des Meers unseren traumhaften Tag verbrachten. Als dieser zu Ende ging nahmen wir Platz an einer der höchsten Stellen um den Leuchtturm herum und bestaunten den womöglich schönsten und klarsten Sonnenuntergang unserer Reise.
05 Twilight – Te Werahi Rundwanderung
Nur vier Kilometer südlich des Cape Reinga gab es eine Rundwanderung die unsere Aufmerksamkeit auf sich zog. Wir frühstückten am Morgen noch gemütlich während die Sonne langsam begann die Landschaft um uns herum zu erleuchten. Ausgestattet mit Lunchpaketen wanderten wir zu Beginn auf einer grünen Hügellandschaft zwischen grasenden Schafen und Zäunen dahin. Zwischendurch grüßte uns der Bauer mit seinen vier Hunden, die bereits die Schafe auf das freie Feld hinaustrieben. Bald danach änderte sich die Landschaft und wir standen in einem alten dunklen mystischen Wald, dessen Stämme in versteinertes Moos eingewickelt waren und Baumkronen das meiste Licht von uns fern hielten. Wir liefen quer durch den Wald und erreichten auf der anderen Seite präparierte Brücken die plötzlich durch eine sumpfige Landschaften mit sichthohen Gräsern führten. Zahlreiche Libellen und singende Vögel schwirrten umher. Als wir dann merkten, dass die Landschaft langsam lichter wurde und die Brücke dem Ende zuging, staunten wir nicht schlecht als langsam vor uns eine riesige Düne sichtbar wurde. Weit und breit blickten wir nur strahlenden Sand. Wir suchten Spuren darin und entdeckten hie und da sogar ganze Skelette von Tieren. Wegmarkierungen wurden immer seltener aufgrund der Verwehungen und es geschah manchmal, dass wir kurzzeitig den Weg verloren. Die Sonne stand bereits ziemlich hoch als wir den ersten Strand erreichten. Die sporadischen Wegmarkierungen leiteten uns den Weg weiter entlang der Küste. Hier kreuzten wir zum ersten Mal andere Wanderer, die jedoch schon mehrere Tage unterwegs waren. Im Sand entlang zu spazieren ermüdet nach einer gewissen Zeit, da jeder Schritt zu Hälfte im Sand einsinkt. So waren wir auch froh als uns nach Erreichen des zweiten Strandes der Weg wieder ins Landesinnere führte, wo wir wieder Erde, Wurzeln und Gräser unter unseren Schuhen spürten. Müde aber vollkommen zufrieden erreichten wir nach fünf Stunden wieder unseren Ausgangspunkt.
06 Ninety-Miles Strand
Der Strand ist zwar nur 88 Kilometer lang, doch so sein Name steht für die gefühlte Unendlichkeit. Er ist berühmt bei Surfern und Autofahrern zugleich, weil neben atemberaubenden kilometerlangen Wellen es auch möglich ist, mit einem normalen straßentauglichen Auto am Sandstrand spazieren zu fahren. Als wir die Küste erreichten bemerkten wir schon von der Weite die unendlichen Muster der Reifen im Sand. So auch wir! Kurze Zeit später drifteten wir mit unserer Hummel die Küste entlang und einem wechselnden Gefühl aus Aufregung und der Angst im Sand steckenzubleiben. Es machte einfach unendlich viel Spaß! Viele Hinweisschilder weisen darauf hin, dass Passagen wo ein Fluss ins Meer mündet nur mit einem Allrad überquert werden sollten, doch wir schafften es.
Nicht direkt an diesem Ort, aber einige Kilometer weiter südlich beobachteten wir am nächsten Tag dann leider wie ein Jeep im Sand stecken blieb und die Flut das Auto in kürzester Zeit fast vollständig verschluckte. Gerade noch im letzten Moment konnte ein Traktor den Jeep an Land ziehen.
07 Kauri Trees
Tane Mahuta ist Neuseelands größter lebender Kauri Baum. Er wird auch als “Lord of the Forest“ genannt. Er befindet sich im Waipoua Forest und bekam den Namen von den Māori, die ihn nach dem Gott des Waldes benannten. Obwohl die meisten Kauri Bäume durch den Lauf der Geschichte abgeholzt wurden, wird auf die Verbliebenen heute sehr viel wert gelegt. Der Ausgangspunkt der Wanderung wird von einem Ranger bewacht, der erklärt wie wichtig ihnen ihre gebliebene Natur ist. Um das empfindliche Wurzelwerk der Bäume nicht zu schädigen, hat die Regierungsorganisation DOC eine Waschanlage für Wanderschuhe entworfen, wo wir unsere Schuhe gründlich reinigen mussten bevor wir in den Wald eingelassen wurden. Der Ranger erklärte, dass Neuseeland lange unberührt geblieben ist von fremden Einflüssen wie Bakterien und Tieren aus anderen Kontinenten. Die Natur hier ist gegen Derartiges nicht gewappnet, weshalb der Mensch selbst beginnen muss, darauf zu achten, wie es seinem Umfeld geht und welche Schritte er dafür unternehmen muss. So groß wie der Schrecken aufgrund dieser Maßnahme zu Beginn war, so tief wird uns diese Erfahrung auch begleiten. Wir nehmen vieles in dieser Hinsicht oft zu selbstverständlich.
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