Spätabends ließen wir die hektische Hauptstadt Yangon hinter uns. Busbahnhöfe in Myanmar sind anders strukturiert, als in den Ländern zuvor. Mit dem Taxi fuhren wir langsam durch die langen, nicht asphaltierten Straßen auf der Suche nach dem richtigen Busunternehmen. Es machte etwas den Eindruck, als würden wir in einer Wohnstraße unterwegs sein. Beidseitig standen Busse soweit das Auge reichte. Der einheimischen Sprache nicht mächtig waren wir froh, als unser Fahrer den richtigen Bus für uns fand. Mit dem Gefühl von Sehnsucht nach verborgenen Kulturen und unberührten Landschaften fuhren wir auf Myanmars einzigem Highway weiter in Richtung Norden.
Historische Königsstadt Bagan
Die antiken Überreste der ehemaligen Hauptstadt Bagans sind das wahrscheinlich Eindrucksvollste, dass es von der Geschichte Myanmars noch zu bestaunen gibt. Viele Besucher erkunden diese Gegend mit einer aufregenden Ballonfahrt. Gerade während der Regenzeit ist dies leider nicht möglich. So ersparten wir uns wenigstens Geld und stattdessen entdeckten wir wie Indiana Jones zu Fuß und mit dem Motor-Bike die unendlichen Weiten dieser spektakulären Landschaft und seinen geheimnisvollen Tempeln. Wir durchquerten in dieser Nacht das halbe Land in der Dunkelheit ohne zu erkennen, ob sich die Kultur und die Landschaft veränderten.
Wir spürten durch die Klimaanlage keinen Wärmeunterschied und die Welt außerhalb verschwieg uns jegliche Vegetation. Wie in einer Raumkapsel, die uns in eine fremde Welt bringt, fühlen wir uns manchmal in gut ausgestatteten Busen, die wir spät abends betreten. Es ist oft eine Kompromiss- Entscheidung, je nachdem für welche Wahl des Verkehrsmittels man sich entscheidet.
„Die eine Wahl bringt dich näher zum kulturellen Geschehen, fordert aber meist die eigenen Kräfte heraus, und die andere entfernt dich davon, bietet aber weit mehr Komfort.“
Irgendwann am Morgen blieb der Bus mit einem Ruck stehen und wir erwachten im Nirgendwo. Noch zu weit von der archäologischen Stätte Bagan entfernt, teilten wir uns früh morgens um 4 Uhr ein Taxi.
Während der Fahrt wurde es langsam Tag und wir erkannten erste landschaftliche Züge. Überall weit weg am Horizont ebenso wie direkt vor uns bemerkten wir ziegelrote Spitzen, wie sie über die hügelige Felderwirtschaft und Palmenvegetation ragten. Weit und Breit waren keine hohen Häuser, keine Leuchtreklamen oder andere modernen Einflüsse zu sehen. Lediglich ein paar kleine Siedlungen konzentrierten sich an der Straße. Wir fühlten uns wie in einem Abenteuer, in dem wir gerade noch geträumt haben. Um solch eine Zeit an einem neuen Ort anzukommen ist auf der einen Seite ein Fluch, da man noch kein Zimmer beziehen kann und Cafés wie der Rest eines Dorfs noch geschlossen haben. Jedoch kann man der Welt zuschauen, wie sie langsam erwacht und es liegt ein ganzer Tag noch vor einem. Inzwischen sind wir nicht mehr so zurückhaltend und so machten wir uns in der Rezeption unseres Hotels breit und schliefen bald ein. Nicht lange danach weckte uns sanft die Rezeptionistin und meinte wir dürfen jetzt doch früher als üblich einchecken. Vielleicht hatte sie Mitleid mit uns oder wir machten kein gerade einladendes Bild auf andere Gäste.
Nach genügend Ruhe und einer ausgiebigen Dusche spazierten wir los um die Gegend zu erkunden. Obwohl das Klima viel wärmer war, empfanden wir es durch die unglaubliche Ruhe viel entspannender als zuvor in Myanmars größter Stadt.
Sehr fortschrittlich und umweltfreundlich gibt es hier viele Angebote um einen Elektro-Scooter oder ein Fahrräder zu mieten. Zu Fuß nicht zu bewältigen nutzten wir diese Gelegenheit am nächsten Tag und machten uns auf den Weg. Ein Tempel mächtiger als der andere verbrachten wir den Tag am Staunen und Fotografieren. Wir erkletterten viele Tempel und genossen die wechselnden Perspektiven der Landschaft. Der Bewegungsrhythmus erinnerte uns an einige Kletterrouten in Österreich.
Sie wirkten auf uns, als wären sie wahllos und doch mit der gleichen Ausrichtung in die Landschaft gesetzt worden. Im Inneren irrten wir oft in Kreisen um riesige Buddha-Statuen herum und schlenderten an stilvollen Verzierungen unter schlafenden Fledermäusen vorbei. Am darauffolgenden Tag liehen wir uns zur Abwechslung Fahrräder aus um einen Sonnenuntergang wie im Bilderbuch zu erleben. Vollkommen gestresst den perfekten Platz für einen gutes Panoramamotiv zu finden und trotzdem allein die Ruhe zu genießen, radelten wir los, durchquerten schiebend einige Felder um letztendlich rechtzeitig einen Tempel zu finden, den wir als gut genug befanden. Losgelöst im vollen Einklang mit der Umgebung genossen wir auf dem gefundenen Tempel ein beeindruckendes Farbspiel nach dem die Sonne am Horizont sich langsam verabschiedete und uns zum Schluss noch einmal richtig beeindrucken wollte. Wir waren froh jetzt hier gewesen zu sein in einer Zeit wo Myanmar gerade erst richtig seine Pforten für auswärtige Besucher öffnet, obwohl sich das dumpfe Gefühl im Magen regte, dass in den nächsten fünf Jahren dieser Ort bei Weitem nicht mehr so frei erlebt werden kann.
Kalaw Trekkingtour nach Inle Lake
Inspiriert durch Bagan und seine natürlichen Züge reisten wir weiter in die fremden höherliegenden Landschaften der östlichen Region. Hier beginnen langsam die Bergkulturen und damit völlig neue Eindrücke. Für uns war klar, dass wir hier wandern wollten. So beschlossen wir in Kalaw, ein kleines Dorf in den Bergen und bekannter Ausgangspunkt für viele Trekkingtouren, eine drei tägige Wandertour mit Eversmile-Trek zu machen. Die Wege sind im Hinterland nicht markiert und es wird auch noch nicht gern gesehen, dass Touristen ohne Führer los marschieren.
Aki, eine 21 jährige Burmesin führte uns lächelnd, mit viel Engagement und Leidenschaft für ihren Beruf, durch Wälder, Felder und Bergdörfer. Sie zeigt uns Abkürzungen, wie man Hindernisse überwinden kann und was für besondere Pflanzen dort wachsen. Zwischendurch konnten wir Panoramablicke genießen oder Aki mit Fragen über Kultur und Leben fern ab von den Städten löchern. Viele kleine Details hätten wir ohne sie wahrscheinlich nie verstanden. Hinter den Hügeln leben viele unterschiedliche Stämme mit unterschiedlichen Kleidungsstilen und Bräuchen. Ein markantes Merkmal, dass wir überall vorfanden, sind die sogenannten Longlys, die fast alle Burmesen in ganz Myanmar tragen. Vor allem Männer tragen diese gern, auch wenn es sich dabei um lange Röcke in verschiedenen Farben und Mustern handelt. Die Unterschiede der Longlys verweisen auf die jeweiligen Stämme der Kultur. Zugehörigkeit und Identifikation werden dadurch zu einem wichtigen Thema. Vor allem weil es Stämme gibt, die sich nicht gut miteinander verstehen und so den Abstand zueinander bewahren können. Auch bei manchen zwei sich Liebenden dürfen keine Stammes- Überschreitungen vorkommen. Geschieht es trotzdem, werden sie in einigen Stämmen verstoßen und oft passiert es dann, dass von den Verstoßenen ein neues Dorf oder Stamm gegründet wird.
Müde von den Ereignissen des Tages schliefen wir nach ausgiebigen leckerem Essen bei einer einheimischen Familie im Bettenlager schnell ein.
„Der beste Schlaf ist und bleibt einfach nach einer ausgiebigen Wanderung!“
Voller Tatendrang motivierte Aki uns am zweiten Tag an einem Reisfeld stehen zubleiben, die Schuhe auszuziehen und den arbeitenden Frauen am Feld beim Reisanbau zu helfen. Was sich einfach anhört bedarf einer speziellen Technik, die Konzentration und Hingabe erfordern. Vor allem in Hinblick auf das Gehen im Schlamm waren wir froh, das nicht jeden Tag machen zu müssen. Gemeinsam singend und tanzend ging es dann weiter. Im Regen wanderten wir die Gleise entlang bis zu einem Bahnhof. Nicht weit von dort erreichten wir ein kleines Dorf, wo wir einem Ältesten, der Medizinmann war, einen Besuch abstatteten. Aki meinte, sie war hier selbst sehr lange nicht mehr. Tee trinkend lasen wir in seiner Kräuterbibel, welche unseren Bauernregeln in Österreich sehr ähnelte. Danach ging es weiter zum alten buddhistischen Kloster eines Bergdorfes, wo wir viel über den Buddhismus des Landes und das Leben der Mönche erfuhren.
„Der Glaube hier hat viel Freiheit, die anderswo nicht zugelassen wird.“
So kann ein Mönch das Kloster verlassen und in die weite Welt ziehen, um sein Glück zu versuchen. Wenn ihm dieser Schritt misslingt, kann er aber auch jederzeit wieder zurückkommen und als Mönch weiter machen. Wir fühlten uns wohl in dem aus Teak-Holz gebauten Pfahlbau und verbrachten mehr Zeit hier als erwartet. Anders als viele Kloster in Österreich strahlte dieser Ort eine angenehme Wärme aus.
Am nächsten Tag ging es dann mit vielen netten Gesprächen und Erklärungen zu besonderen Pflanzen und Früchten weiter in Richtung Tal. Wir kämpften uns durch roten tiefen halbgetrockneten Schlamm bei strahlendem Sonnenschein vorwärts oder wanderten wieder die Dämme der Reisfelder entlang. Wir probierten die UV schützende Wirkung von Thanaka selbst auf unserer Haut aus und bekamen so von Aki unsere Kriegsbemalungen.
Wir sprachen über Globalisierung, internationale Handelsketten und Fastfood- Restaurants und wie diese Bewegung dieses Land wohl verändern würde. Wir dachten darüber nach, wie die Leute hier wohl reagieren würden und der zerstreute junge Helfer Tatto, der uns auf der Wanderung die ganze Zeit begleitete, dessen Aussage werden wir womöglich nie vergessen werden, reagierte darauf mit:
„Mc Donalds? What is this? Burgers? Ah… no, I don’t like Burgers.“
Komplet fassungslos konnte die Reisegruppe nicht begreifen, was wir von einem 18 jährigen Burschen, der während der Wanderung jede freie Minute auf Facebook verbrachte, zu hören bekamen. In solchen Momenten wird uns dann schmunzelnd bewusst, warum Reisen in fremde Kulturen Freude bereitet und gleichzeitig unser Horizont erweitert.
Bei einer letzten kurzen Verschnaufpause wurde die besagte stimulierende Betelnuss verkostet. Eingewickelt in einem Betelblatt gemeinsam mit Kautabak, Zimt, Ingwer, Muskatnuss, Fenchel oder Minze wird daran gekaut, bis der Geschmack nicht mehr zu ertragen ist. Mit den Jahren des Genusses färben sich die eigenen Zähne rot. Aufgrund des erhöhten Speichelflusses und der roten Färbung des Mundraums und der Zähne hat man manchmal den Eindruck, dass der Mund der Einheimischen voller Blut wäre. Vor allem wenn sie den roten Saft in regelmäßigen Abständen immer wieder ausspucken. Die Straßen sind geziert mit roten Flecken, die zu Beginn schockieren, jedoch mit der Zeit nicht einmal mehr auffallen.
Danach erreichten wir bald das Tal und damit auch das Ende unserer Kalaw- Trekkingtour. Es fühlte sich gut an, unser Ziel erreicht zu haben, nachdem wir die letzten Stunden den See von der Weite schon betrachten konnten.
Mit einer abschließenden Bootstour der Länge nach über den ganzen Inle-See, welcher ein anderes kulturelles Highlight von Myanmar ist, verliesen wir das hügelige Hinterland und tauchten langsam ein in die nächste Episode unserer Reise. Wir durchquerten schwimmende Dörfer, wo Frauen auf Stegen ihre Kleider wuschen und Männer auf Pfahlbrücken uns Grußbotschaften sandten. Wir fuhren vorbei an schwimmenden Gärten, die über einer riesigen Wasserfläche mit Holzkonstruktionen angelegt wurden und nur so von Gemüse und Früchten überquillten. Letztendlich stieg Begeisterung in uns auf und mit der rasanten Geschwindigkeit des Bootes, mit der wir über die offene Weite des Wassers bretterten machte sich Neugierde in uns breit.
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